Letzte Woche teilte ich in einem Workshop einen prägenden Satz aus meinem Leben.
Ein Satz, der in einem Moment der Verletzlichkeit ausgesprochen wurde und der meine Perspektive auf die Arbeitswelt und mein Selbstbild grundlegend veränderte. Als ich mich darauf vorbereitete, meinem Arbeitgeber von meiner Schwangerschaft zu berichten, war ich von einem Gefühl der Ambivalenz überwältigt. Einerseits war da die unbeschreibliche Freude über das neue Leben, das in mir heranwuchs, andererseits die lähmende Sorge, ich könnte Unruhe in das wohlgeordnete Gefüge unseres Arbeitsalltags bringen.
In diesem Gespräch reagierte mein Chef ungerührt mit den Worten: „Jeder ist ersetzbar“, und beendete das Gespräch. Meine Versuche, das Thema Mutterschutz zu diskutieren, wies er kurz mit dem Hinweis zurück, dass sich ein kleines Unternehmen so etwas nicht leisten könne. Ich verließ sein Büro voller Frustration, Wut und Scham und hinterfragte mein Verhalten. Über Jahre hatte ich mich intensiv engagiert und alles darangesetzt, um die Arbeit bestmöglich zu organisieren.
Erst nach einiger Zeit erkannte ich den Wert dieser Aussage und lernte, sie zu meinem Vorteil zu nutzen. Denn in der Tat, jeder ist ersetzbar. Dies ist eine notwendige Realität in Beruf und Leben. Wir bleiben nur temporär in einem Job, in einer Rolle, und letztlich auf dieser Erde. Wären wir alle unersetzlich, entstünde Chaos. Diese Erkenntnis bedeutet jedoch nicht, dass man als Mensch ersetzbar ist. Es gibt klare Abstufungen. In der Arbeitswelt gilt es, dieses Wissen zu nutzen: transparent zu arbeiten, andere einzubeziehen, Aufgaben zu delegieren, starre Hierarchien aufzubrechen und auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten, wobei ein dynamisches Selbstbild anzustreben ist.
Denn ein dynamisches Selbstbild fördert die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit das sind Schlüsselqualitäten in einer sich ständig wandelnden Arbeitswelt! Das statische Selbstbild impliziert, dass man sich als einzigartig und unveränderlich betrachtet. Was meine ich nun damit.
Zum Beispiel könnte ein Mitarbeiter mit einem statischen Selbstbild Schwierigkeiten haben, sich an neue Technologien oder Arbeitsmethoden anzupassen, da er an seinen gewohnten Methoden und Fähigkeiten festhält. Im Gegensatz dazu würde ein Mitarbeiter mit einem dynamischen Selbstbild diese Veränderungen als Gelegenheit für persönliches Wachstum und Entwicklung sehen und sich aktiv um das Erlernen neuer Fähigkeiten und Technologien bemühen.
Führungskräfte, die ihre eigene Ersetzbarkeit anerkennen, können zu einer Kultur der Kooperation und gemeinsamen Verantwortung beitragen. Sie fördern Wissenstransfer und Teamarbeit, anstatt auf individuellen Leistungen zu bestehen. In einem Unternehmen könnte ein Teamleiter beispielsweise regelmäßige Wissensaustausch-Sitzungen einführen, um sicherzustellen, dass das Team auch in seiner Abwesenheit effektiv funktioniert. Verwaltungskräfte können Arbeitsabläufe so dokumentieren dass sie, im Falle einer Krankheit, jederzeit die Aufgaben an eine weitere Verwaltungskraft abgeben können.
Ein weiteres Beispiel ist die Delegation von Verantwortlichkeiten. Ein Marketingmanager, der sich der Ersetzbarkeit bewusst ist, könnte dazu ermutigt werden, mehr Verantwortung an sein Team zu übertragen. Dies fördert die Entwicklung neuer Führungskräfte innerhalb des Teams und trägt zur Gesamtresilienz der Abteilung bei.
Die Reaktion der Teilnehmerin auf meine Geschichte war frappierend – es flossen Tränen. Der Schmerz, den meine Geschichte auslöste, war ein Zeugnis dafür, wie tief die Idee der Unersetzbarkeit verankert sein kann. Doch es ist wichtig, zu verstehen, dass die Ersetzbarkeit in einem beruflichen Kontext nicht die Einzigartigkeit und den Wert eines Menschen als Individuum mindert. Es geht vielmehr darum, eine realistische Sichtweise auf unsere Rolle und unseren Beitrag in der Arbeitswelt zu entwickeln und diese Erkenntnis für persönliches Wachstum und effektivere Teamarbeit zu nutzen.
Wie ist das bei dir? Bist du unersetzbar?