Was hast Du denn erwartet?

Ich denke, ich hatte erwartet, ein Baby zu bekommen. In dieser Erwartung habe ich alles gemacht, was man so macht, wenn man schwanger ist: Ich habe auf meine Ernährung geachtet, war beim Frauenarzt und habe angefangen, ein Nest zu bauen. Natürlich habe ich mir auch Sorgen gemacht – manchmal genauso, wie ein Bäcker Brötchen macht – und mich gefragt, ob ich das Mamasein kann, ob ich das Baby auch lieben werde und wie das bitteschön funktionieren soll?! Werde ich genug Geld haben, um ihm all das zu geben, was ich für wichtig halte – ein Kinderzimmer, Skikurse, Klavierunterricht, Urlaube … Ja, ich hatte vermutlich wirklich erwartet, ein Baby zu bekommen, maximal ein Kind.

Da habe ich mich allerdings gewaltig getäuscht! Nicht nur bei den genannten Themen. Ich habe zwar ein Baby bekommen, aber nur für einen Wimpernschlag: Ich bekam einen ganzen Menschen! Klar, einen, der erst mal klein anfängt, der dann jedoch schnell wuchs und, rückblickend, schnurstracks vom Baby zum Erwachsenen wurde.

Nicht nur, dass ich einen ganzen Menschen bekam. Ich bekam auch noch eine komplette Lehrstunde über das Menschsein und vor allem das Menschwerden.

Es war wirklich verrückt. Die Welt erklärte sich völlig neu. Ich durfte dabei sein, wie er die Welt entdeckte, wie er anfing, Dinge zu verstehen und zu begreifen auch durchs Begreifen. Ich durfte dabei sein, wie er sich entwickelte. … im wahrsten Sinne des Wortes… Alles war plötzlich sinnvoll. Auch hier galt das wörtlich. Es war voller Sinn. Ich verstand Sprache neu. Erwachsenwerden ist ein „Erwachsen“, nicht ein irgendwann Erwachsensein. Kein Entwachsen. Es ist, idealerweise, ein beständiges, kontinuierliches, unablässiges ewig fortschreitendes Erwachsen.

Immer wieder fragte ich mich, wer wem was beibrachte. Er zeigte mir, was wesentlich war. Lebte Geduld vor. Unterrichtete mich in radikaler Akzeptanz. Praktizierte Achtsamkeit, als noch kein Mensch darüber sprach. Ließ mich daran teilhaben. Öffnete mir die Augen. Nicht dass ich vorher gänzlich blind war… Nur waren sie eben nicht ganz offen. Lehrte mich, mich und andere besser zu verstehen.

Auch konnte er wunderbar sanft und empathisch sein. Großartigerweise nicht nur zu seiner Umwelt, sondern auch zu sich selbst. Selbstmitfühlend zu sein, kannte ich bis dahin noch gar nicht. Ich war eher vertraut mit negativen Glaubenssätzen, die er jedoch mit kindlicher Neugierde hinterfragte und verschiedenste meiner Wahrheiten liebevoll verstörte. Er zeigte mir, was es bedeutet, dankbar zu sein. Zufrieden zu sein. Im Frieden zu sein. In Ruhe zu sein. Zeigte mir, wie man sich vertieft, wie man die Welt um sich herum vergessen kann. In gewisser Weise lernt man, wie man meditiert.

Andere Menschen gehen dafür in ein Zen-Kloster, um solche Erkenntnisse und Erfahrungen zu sammeln. Ich hatte jedoch das Glück, all dies zu Hause erleben zu dürfen. Dafür bin ich sehr dankbar!

Und nun geht es weiter nach Regen, Schnee und Sonnenschein, goldenen Tagen und silbernen Nächten, heiteren Himmeln und heftigen Stürmen, Sommergewittern und Frühlingsgefühlen, stillen Momenten und ruhigen Bahnen, Lebensabschnitten und Entwicklungsprozessen, großen Sprüngen und kleinen Schritten, dramatischen Stunden und bangen Minuten, entrückten Sekunden und verzauberten Momenten, bunten Tagen und schwarzen Stunden, großen Geschenken und schönen Bescherungen, neuen Bekanntschaften und neuen Verwandtschaften, Familienkrisen und Familienfesten, verlässlicher Hilfe und tragenden Netzen, ersten Worten und letzten Fragen, roten Rosen und roten Nasen, langen Nächten und zu kurzen Tagen, Über-den-Kopf- und darüber-hinaus-Wachsen, Älter-, Milder-, Müder-(Weiser?) Werden, Zeit nehmen und Zeit geben, Raum geben, Sorgen machen und Sinn verleihen, gezogenen Grenzen und überwundenen Hürden, konkreten Zielen und hochfliegenden Träumen, kleinen Unterschieden und großen Gefühlen, tiefen Abgründen und höchsten Gipfeln, schwachen Momenten und starken Armen, gesetzten Zeichen und geöffneten Türen – nach 25-mal Frühling und 25-mal Happy Birthday singen wir dir alles Gute zum Geburtstag!

Alles Gute zum Geburtstag, Max! Und vielen Dank!